Freitag, 29. September 2017

Schreiben: Komposition


„Ich bin nicht immer glücklich. Ich weiß, das ist niemand. Aber mein Leben kommt mir so langweilig vor. Ich lebe ein Leben, wie jeder andere. Ein Durchschnittsleben. Ich bin das Durchschnittsmädchen. Mit den Durschnittsfähigkeiten.
Aber genau das will ich nicht sein. Ich will nicht der Durchschnitt sein. Ich will mehr sein. Ich will nicht mein Leben gelebt haben, sterben und für immer vergessen werden. Ich will etwas erreichen. Nachhaltig. Sodass ich nicht einfach vergessen werde."


Das habe ich geschrieben als ich 14 Jahre alt war. Während andere Mädchen in meinem Alter für einen Sänger schwärmten oder über ihre Freundinnen lästerten, habe ich über das Sterben und das Vergessen werden philosophiert.
Seitdem hat sich viel verändert. Oder auch eigentlich nicht. Ich bin kein Durchschnittsmädchen mehr. Ich war es auch damals nicht, aber das weiß ich erst jetzt. Immer schon war ich eine Gedankenkünstlerin, eine Traumtänzerin, eine Fantasiedirigentin.
Die Zeit, in der ich so viel über das Leben nachgedacht habe, war bisher die schwierigste. Doch über jeden Stein, der mir in den Weg gelegt wurde, bin ich höher und weiter hinweggesprungen und mehr und mehr zu einer Bewusstseinskämpferin, einer Freiheitsverfechterin, einer Willenskriegerin geworden.
Das muss man auch sein, wenn man sich nicht der monotonen Masse aus einzigartigen Klonen anpassen will. Denn wenn man eine Sternengreiferin, eine Weitblickende, eine Unendlichkeitsreisende ist, hat man selten Unterstützer.
Wenn sich mir zwei Wege eröffnen, wähle ich den weniger betretenen, auch wenn man mich dabei selten beobachten kann. Eine Lügenspielerin, eine Geheimgangsucherin, eine Schattenwandlerin hat in einer Welt aus Licht und Dunkel die besseren Karten.


Abgesehen von der Tatsache, dass ich mich mit 14 lieber in Büchern versteckt habe, statt mich der Missgunst anderer Menschen zu stellen, war ich doch irgendwie ein Durchschnittsmädchen mit Durchschnittsproblemen und Durchschnittsfähigkeiten. Das hat sich tatsächlich geändert, jetzt bin ich eine Fernwehbürgerin, eine Überdurchschnittsschülerin, eine Vorweggeherin.
In der Vergangenheit habe ich für verschiedene Menschen bereits verschiedene Rollen gespielt: das erste Kind, die Vielfältigkeitsgenießerin, die beste Freundin, die Klassenstreberin, die erste Liebe, das Niemalsmädchen, die ehrgeizigste Schülerin, die Weitweitwegwollende.
Was die Zukunft bringt, kann ich nicht sagen, denn ich bin keine Glückswahrsagerin, keine Lebenspessimistin, keine Allesplanerin. Aber die wertvollsten Schätze sind eh die, die man gar nicht sucht und trotzdem findet.
Ich weiß, wer ich war und ich weiß, wer ich bin und ich bin, wie ich bin. Ich bin ich und ich bin eine Geschichtenschreiberin.

1 Kommentar:

  1. Ein wirklich toller Beitrag. Wir leben halt in einer Welt aus unzähligen Klonkrieger. Die Welt braucht Menschen wie dich. Die Welt braucht Träumer und Denker. Genauso wie sie Menschen braucht, die nach höheren Zielen streben. Die gegen, statt mit dem Strom zu schwimmen.
    Mach weiter so und bleib wie du bist, denn genau das, macht dich zu etwas ganz Besonderes.

    Das Wort "Gedankenkünstler", ist hiermit übrigens annektiert.:)
    Liebe Grüße

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